Freitag, 21. Juni 2024

Stone Flowers im Kulturzentrum Tempel

Jazzpianist Benjamin Schaefer mit seinem Quartett, Juni 2024
 
Alles, was mit Steinblumen zu tun hat

Auf Einladung des Jazzclub Karlsruhe begeisterten Pianist Benjamin Schaefer und seine Quartettformation 'Stone Flowers' das Publikum im Karlsruher Kulturzentrum Tempel mit klangfarbenreichen Eigenkompositionen.

Ein ruhiges, cooles Intro vom E-Piano stand am Anfang. Im weichherzigen Rhodes-Sound suchen sich die Töne nachdenklich über die Tasten, bis die Bassposaune mit einem gelassenen Solo einsteigt und dann entsprechend von der Flöte abgelöst wird, um sich schließlich gemeinsam in wunderschönen Melodiebögen zu verfangen – durchweg begleitet vom gediegenen Schlagzeug à la Bossa Nova. Benjamin Schaefer und sein Quartett „Stone Flowers“ klingen magisch, ihre Arrangements sind ausgewogen und einfallsreich und sie liefern im besten Sinne soliden, vor allem aber einfühlsamen Jazz. Davon konnte man sich am Donnerstag Abend beim Konzert mit etwa 50 Zuhörern im Kulturzentrum Tempel überzeugen. Der Jazzclub Karlsruhe hatte Schaefers Auftritt programmiert. Obwohl erst im letzten Jahr neu fertig gestellt, kann der Jazzclub im Passagenhof derzeit nicht als Spielstätte genutzt werden, denn es ist dort schon wieder Baustelle. Die Toiletten müssen saniert werden. Also ging es – wie die Jahre zuvor so oft – an den Ausweichort in Karlsruhe-Mühlburg. Gewohnterweise ein Glücksfall, denn die Akustik im Saal mit dem alten Ziegelgemäuer passt bestens, ist weder zu trocken, noch hat sie zu viel Hall.

Der 1981 in Braunschweig geborene Schaefer hat bereits in verschiedenen Formationen gespielt, von der Bigband bis zu Kleinstbesetzungen. Für die „Stone Flowers“ hat er sich musikgeschichtlich nach dem Motiv der Steinblumen umgehört und ist fündig geworden. Jener erste Titel des Konzertabends war eine eigene Komposition und eine Hommage an den 1994 verstorbenen brasilianischen Sänger, Komponisten und Mitbegründer des Bossa Nova Antônio Carlos Jobim. Auf dessen Album „Andorinha“ nämlich findet man ein Stück namens „Stone Flower“, das Schaefer für die Besetzung und die faszinierende Klangfarbe seines Quartetts – die „Stone Flowers“ im Plural – inspirierte.

Wunderbar runde und warme Klangfarbe etwa kam von der Bassflöte, ein sowohl in Jazz als auch Klassik viel zu selten gehörtes Instrument. Michael Heupel wechselte die Querflöten von Titel zu Titel, spielte sich hinunter bis zur über eineinhalbmeterlangen, an ein U-Boot-Periskop erinnernde Kontrabassflöte, die er in perkussiver Artikulation auch als pointierte Akzentgeberin nutzte. In der Trilogie „Spirals“ – drei Stücke, die sich auf Strukturbildungen beziehen, die in Naturphänomenen zu beobachten sind – kam die vielseitige Klangwelt bestens zur Geltung. Kurzfristig für den erkrankten Jan Schreiner eingesprungen war Tobi Herzog an der Bassposaune, die sich oftmals – und anders, als man erwarten würde – mit hellen Klangfarben zur Flöte gesellte. Finn Wiest am Schlagzeug hielt rhythmisch alles gut beisammen und Benjamin Schaefer selbst musizierte „seine Kompositionen“ am E-Piano mit viel empfindsamer Aufmerksamkeit, immer im Wechsel zwischen notierter Musik und freier Improvisation. Kompositorisch ist Schaefer quasi mit der Schere rangegangen, hat etwa Motive rausgeholt aus der „Geschichte der Steinblume“, einer Ballettmusik des russischen Komponisten Sergej Prokofjew. Die Versatzstücke werden dann durch variiert, ebenso die Harmonik, die gerne frei die Skalen durchwandert und sich nicht lange an einem Grundton festhält. Prokofjew hört man dabei nicht mehr heraus, aber einen wunderschönen, zeitgemäßen Jazz. Darum geht es ja schließlich.

Die „Stone Flowers“ machen erlesene Kunst. Zielgruppe ist sicher nicht das Massenpublikum, eher neugierige Jazzliebhaber und Kenner. Ihr Konzertprogramm und die Titel haben die „Stone Flowers“ aufgenommen und eine kultige – nicht schwarze, sondern rosarote – Vinyl-LP produziert, was Benjamin Schaefer am Abend nicht ohne Stolz präsentierte. Zielgruppe hier: Fans mit Plattenspieler. Ob die Formation langfristig bestehen bleibt, wird sich zeigen. Falls ja, sollten sie unbedingt nochmals nach Karlsruhe kommen. Dann aber in den Jazzclub mit renoviertem Sanitär.

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