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Tanzperformance in der Fleischmarkthalle Karlsruhe, September 2023
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Naturskepsis und
Zukunftspläne
Karlsruher Tanzregisseur
Ben Rentz zeigt in der Fleischmarkthalle „Transitions – Circuit I“
Fels, Wasser und Wald spüren. Kälte, Nässe und das Leben der
Bäume an sich heranlassen. An die Haut und an den eigenen Körper, so dass es in
Erinnerung bleibt und später im Tanz und in den Körperbewegungen auf der Bühne
wieder abgerufen werden kann. So in etwa funktionierte die Probenarbeit für das
neue szenische Tanzstück „Transitions – Circuit I“, das Ben Rentz – 22-jähriger
Performer, Darsteller und Regisseur aus Karlsruhe – mit neun Tänzerinnen und
Tänzern aktuell geschaffen hat. Die Gruppe begab sich eigens für die
Probenvorarbeit vier Workshoptage lang ins Murgtal in ein Pfadfinderheim. Als
Jugendlicher war Ben Rentz – was man bei dem jungen Mann wegen seiner
gepflegten, stilvollen Erscheinung gar nicht vermutet – selbst Pfadfinder und
viel draußen unterwegs. Und so manche Naturerlebnisse von früher sieht er heute,
inmitten des Klimawandels, in neuem Licht. „Mir ist in Bezug auf Natur und ihre
Bedrohung für uns vieles bewusster geworden“, sagt Ben Rentz: „Ich denke, dass
das gerade grundlegende Erfahrungen in meiner Generation sind.“ Auch mit einem
Fragebogen und vielen Gesprächen hat sich die Gruppe um Ben Rentz dem Thema
genähert. Ob die Welt angesichts des globalen Treibhauseffekts noch zu retten
ist? In der Tanzgruppe gibt es dazu verschiedene Ansichten. Optimismus und
Pessimismus halten sich die Waage. Und genau das soll auch das Tanzstück
ausdrücken, das kommenden Montag in
der alten Fleischmarkthalle auf dem Areal des ehemaligen Karlsruher Schlachthofs
uraufgeführt wird. Der Spielort passt merkwürdig gut zu Rentz‘ künstlerischem
Vorhaben, steht er doch symbolisch für den pervertierten, klimaschädlichen
Fleischkonsum, der insbesondere vielen jungen Menschen nicht mehr geheuer ist.
In der Tanzgruppe würden alle eigentlich vegetarisch oder vegan leben, überlegt
Ben Rentz auf Nachfrage. Nur einer isst wohl auch mal gern Muscheln und Fisch...
Ben Rentz ist aufstrebender Jungstar der Karlsruher
Kulturszene. Zusammen mit der Dramaturgin Yoreme Waltz hat er 2021 ein
Produktionsbüro für Darstellende Künste gegründet und ein Kollektiv junger
Erwachsener zusammengeschart, das im vergangenen Herbst im Kulturzentrum
Tollhaus die erfolgreiche Tanzproduktion „Ruminate“ auf die Beine gestellt hatte.
Es gab ausverkauftes Haus und begeistertes Publikum in vier Vorstellungen. „Das
machte auch über Karlsruhes Grenzen hinaus von sich reden“, sagt Yoreme Waltz. Also
bewarb man sich für das „Tanztreffen der Jugend“ der Berliner Festspiele und bald
darauf ließ sich wahrhaftig eine Jury eine extra Vorstellung – abgespeckt, ohne
Bühnenbild und ohne die beeindruckenden großen vier Windmaschinen – zeigen. Anschließend
gab es noch ein Gespräch und tatsächlich: Von 46 Bewerbungen suchte die Jury 10
aus und eine davon ist die Produktion „Ruminate“, die nun am 25. September im
Haus der Berliner Festspiele gezeigt wird. Diesmal mit allem was dazu gehört,
auch mit den Windmaschinen.
Der bühnentechnische Aufwand für das jetzige Tanzstück
ist da vergleichsweise gering. Stattdessen aber hat sich das Tanzkollektiv
vergrößert und es gibt „mehr Choreographie“ und mehr Berührungen der Tanzenden
untereinander. Zudem ist Live-Musik dabei. Das Publikum wird in der
Fleischmarkthalle keine zugewiesenen Sitzplätze haben, sondern wird sich frei
bewegen können. Das ist neu am Regiekonzept, an dem Ben Rentz schon arbeitete, als
das vorherige Stück noch gar nicht Premiere hatte. Alles im künstlerischen
Werdegang läuft gerade bei ihm dicht und produktiv. Mit den Ideen des Konzepts nämlich
bewarb sich Rentz auch für sein Studium der „Szenischen Künste“ an der Uni
Hildesheim, das er nun ab kommendem Semester antreten wird. Für die freie
Tanzszene – nicht nur in der Region – ist Ben Rentz ein Hoffnungsträger. In
Karlsruhe fehlt es unabhängigen Ensembles oft an guten Proberäumen, wo sie ihre
Produktionen einstudieren können. Auch sind Arbeitsorganisation und
Kulturmarketing für die freie Tanzszene eine große Herausforderung. Um sich
hierfür zu wappnen, hat Ben Rentz dieses Jahr eine Weiterbildung absolviert bei
der „Academy for Performing Arts Producer“, die der 2015 gegründete Verein
„Bündnis internationaler Produktionshäuser“ ins Leben gerufen hat. Ben war dort
mit Abstand jüngster Teilnehmer. Das Knowhow mitzunehmen, war ihm wichtig. „Irgendwie
soll es zukünftig neben meinem Studium ja auch mit dem Tanzkollektiv hier
weitergehen“, sagt Ben Rentz. An Zukunftsplänen fehlt es ihm nicht. Aber eins
nach dem andern. Am Montag ist erstmal Premiere.
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