"Der Denkende" von Karl-Heinz Krause, Juni 2024 |
Studieren und Depression haben liegen eng beieinander. Wer's nicht glaubt: Faust von Goethe lesen, vor allem die Szene im Studierzimmer. Da klagt der gelehrte Faust, dass er so viel gelernt hat, dadurch aber nicht glücklich geworden ist. Mehr noch: Er ist schwermütig, hängt einer geradezu kulturell seit Albrecht Dürers Meisterstich traditionsreichen Melanchoie hinterher, die er dann mit Mephistopheles Hilfe - was das Stück ja spannend macht - umzuwandeln versucht in Event, Erlebnis und Ereignis. Gepaart mit toxischer Männlichkeit lässt Faust seine gewonnene Energie unter anderem an der unschuldigen Margarete, die er schwängert, - - - aus. (Ich liebe Fermaten vor der rechten Satzklammer)
Auf dem KIT-Campus steht eine Bronzeskulptur des deutschen Bildhauers Karl-Heinz Krause aus dem Jahr 1967. Sie heißt "Der Denkende". Ich habe sie 2015, als Karlsruhe den großen Stadtgeburtstag feierte, schon einmal gezeichnet. Die deprimierte Körperhaltung, die die Skulptur zeigt, hat mir gut gefallen. Das biss sich damals ganz gehörig mit dem Public-Relation-Rummel rund um den Stadtgeburtstag. Die Action dazu fand wenige Meter von der Skulptur entfernt am Schloss und im Karlsruher Schlossgarten statt. Da wirkte so ein krummer, abgedünnter Bronzemann auf mich wie ein aus der Zeit gefallener Kontrapunkt. Heute - mein Gott! - neun Jahre später habe ich die Skulptur nocheinmal gesketcht. Und es waren mehr Gedanken, die mir dabei durch den Kopf huschten, als Striche übers Papier des Skizzenbuchs - - - (Fermate, rechte Satzklammer leer).
Ich will (später, bei Gelegenheit) versuchen, die Gedanken zu sortieren und zu formulieren. Doch zuvor nur noch der Hinweis, dass mich Krauses Skulptur nicht so gerührt hätte, wenn sie "Der Depressive", "Der Trauernde" oder ähnlich hieße. Die Titel wären vielleicht durchaus auch treffend. Aber "Der Denkende" spannt den Bogen weiter, unter anderem zu Goethes Faust und zur Gewissheit, dass Studieren und Depression haben eng beieinander liegen.
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