Konzert im neuen JazzClub Karlsruhe, Oktober 2023 |
Groove mit Stimme und Loops
Der Spielbetrieb im neu eröffneten Jazzclub Karlsruhe hat mit dem Konzert von Leona Berlin am Mittwoch gut an Fahrt gewonnen. Die kreative Jazzsängerin und ihre Band mixen Soul und Hiphop zu atmosphärischem R’n’B. Das kam in der gut besuchten neuen Location bestens an.
Zum Konzertanfang kam Leona Berlin erstmal allein auf die Bühne. Ohne Band. Kaffeebecher und Wasserflasche stellt sie beiseite, haucht vorsichtig ins Mikro und schnalzt behutsam mit der Zunge. Das hörte sich zunächst wie ein Soundcheck an, war tatsächlich aber der Start ins musikalische Programm. Hauchen und Schnalzen nämlich speicherte die einfallsreiche Sängerin mit dem flotten Pferdeschwanz via Knopfdruck in ihren Rechner und ließ den Sound per Loop rhythmisieren und wiedergeben, um sogleich darüber mit ihrem schönen Jazzsopran zu singen. Das klingt cool, hat Groove und ist angenehm am Ohr. Und es demonstriert ganz nebenbei, wie versöhnlich all die digitalen Möglichkeiten eines Computers mit der menschlichen Stimme harmonieren. Das in etwa ist auch das künstlerische Konzept der Musik von Leona Berlin, die im Zusammenspiel mit ihrer Band einen atmosphärischen R’n’B entwickelt hat.
Unterm Strich geht es darum, wie gut vorprogrammierte Patterns und freies Musizieren zusammenpassen. In Songs wie „Feminist Energy“ zum Beispiel ist alles in verlässlich feste Drum-Beats eingebettet, die Schlagzeuger Magro aber mit rauschenden Fill-Ins der Becken anzureichern versteht. Keyboarder Martin Lüdicke gibt die Harmonien für die Klangkulisse als Ganzes und Bassist Francesco Beccaro am E-Bass stützt gut und gern mit bewegten und immer treffsicheren Tiefen. Leitend von allem ist dabei Leonas Gesang, der mal erzählend rappt – immer auf englisch – oder mal melodisch auf Klangsilben „uh“ und „ah“ improvisiert – natürlich cool und mit Groove. Die Stimme ist dabei oft mit Effekten wie Hall und Echo oder mit Background-Voices versehen, im Timing perfekt, schließlich läuft hinter allem zumeist eine Songdatei aus dem Rechner mit.
Beim Konzert am Mittwoch Abend im neuen Jazzclub Karlsruhe – im ehemaligen Kino „Kurbel“ am Passagenhof – ließ sich das stimmige Musizieren bestens beobachten, insbesondere vom vorderen freibestuhlten Bereich aus, wo man an Rundtischen sitzt. Hinten auf der ansteigenden Publikumstribüne mit den Kinosesseln ist hingegen der Gesamtsound etwas besser, weil fülliger. Die neue Location ist großartig geworden! Seit der Eröffnung Ende September ist beim Jazzclub der reguläre Spielbetrieb angelaufen. Es sollen hier zukünftig keineswegs „nur“ klassischer Jazz und Sessions auf dem Programm stehen. Der Auftritt von Leona Berlin demonstrierte das eindrücklich.
Die in Karlsruhe geborene Künstlerin, die tatsächlich mit bürgerlichem Nachnamen Berlin heißt, studierte in Mainz Jazz und Pop an der Musikhochschule und ging dann nach Berlin, wo sie 2018 ihr erstes Album bei Warner Music herausbrachte. Das zweite Album „Change“ erschien 2021 und schaffte es in die Bestenliste des „Preises der deutschen Schallplattenkritik“. Diesen Sommer trat Leona Berlin als Gast des Jazzclubs auf der Hauptbühne beim Karlsruher Musikfestival „Das Fest“ auf. Da gab es tollen Rap mit gut tanzbaren Songs beim großen Open-Air. Der Jazzclub wollte sie aber jetzt nochmals im kleineren Rahmen präsentieren. Das Publikum nahm das dankbar an. Denn in den Liedern wie „Who you are“ oder „The Thorn“ geht es letzten Endes auch um Intimes und Menschliches. Da lohnt es sich, auch mal genauer hinzuhören, und das funktioniert im Saal des Jazzclub prima.
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